Thomas Efer ist promovierter Informatiker an der Universität Leipzig. 2009 hat er uns als Master-Student das folgende Interview gegeben
(Stand 26. Nov. 2009)

„Ob globale Kommunikation, Biotechnologie oder effiziente Energiewirtschaft – viele Wachstumsbereiche sind ohne Informatik nicht denkbar.“

Thomas, zunächst einmal möchten wir das Geheimnis um dein Profilbild lüften. Was hat es damit auf sich?
Das Bild habe ich mit „Context Free Art“ erstellt. Das ist ein Computerprogramm zum Erstellen von Formen, Designs und Grafiken. Es ist kostenlos (Open Source) und läuft unter Windows, MacOS und Linux.
Die Bilder werden darin aus verschiedenen Grundformen (Kreisen, Quadraten, etc.) zusammengesetzt. Im Unterschied zu konventionellen Malprogrammen werden die Grundformen allerdings nicht als „Pinselstriche“ mit der Maus auf die Leinwand gebracht, sondern „automatisch“ vom Programm platziert. Der Designer muss dem Programm nur mitteilen, wie und wo die Formen erscheinen sollen.

Dazu werden „Regeln“ definiert – kurze Textstellen, geschrieben in der „Sprache“ des Programms. So kann dem Programm zum Beispiel erklärt werden, dass ein Schneemann aus drei Kreisen besteht, und diese Kreise senkrecht übereinander stehen. Nun kann die neue Form „Schneemann“ benutzt werden, wie eine Grundform. Mit mehreren Regeln können auch kompliziertere (visuelle) Konzepte ausgedrückt werden: „Ein Baum ist ein dicker Strich (Stamm), der sich irgendwann in dünnere Striche teilt (Äste), die sich selbst ein paar mal in dünnere Striche teilen (Zweige), an deren Ende ein Kreis gemalt wird (Blatt)“. Hat man diese Definition einmal in die Sprache von Context Free Art übersetzt, kann man problemlos Wälder mit tausenden Bäumen und einem Schneemann auf einer Lichtung generieren lassen. Alles in wenigen Codezeilen. Dabei muss auch nicht ein Baum wie der andere aussehen: Wenn man will kann man bestimmte Aspekte des Zeichnens vom Zufall beeinflussen lassen.

Mit wenigen einfachen Regeln können so unglaublich komplexe und damit unglaublich faszinierende Bilder erzeugt werden. Viele Designs setzten sich dabei am Ende nicht selten aus mehreren Millionen Grundformen zusammen.

„Context Free Art“ steht neben dem Programm selbst auch für die gleichnamige Webseite: Auf www.contextfreeart.org findet man Downloadmöglichkeiten für das Programm, Beispiele für Einsteiger, ein Wiki und ein Forum, und vieles mehr.  Das beste ist aber der Galeriebereich. Dort werden nicht nur die mit Context Free Art erstellten Bilder ausgestellt, sondern auch deren Quelltexte! Dadurch kann man wunderbar voneinander lernen, neue Ideen und Techniken präsentieren und erforschen und bestehende Bilder verändern (bei entsprechender Lizenz).

Was fasziniert dich so sehr an dieser Kunstform?
Viele Dinge in der Natur empfinden wir als schön. Bei der bunten Pfauenfeder ist es Absicht. Sie soll die Weibchen entzücken und ist deshalb extravagant gestaltet – und findet so auch beim Menschen Gefallen. Ein wenig anders sieht es dann schon beim farbenfrohen Muschelgehäuse aus. Es würde in den meisten Fällen auch einfarbig seinen Zweck erfüllen – das Aussehen entsteht manchmal eher zufällig durch den Wachstumsprozess. Hier zeigt sich die Parallele zur Generativen Kunst: Zu Beginn existieren nur ein paar einfache Regeln für die zukünftige Form. Diese Regeln werden dann mehr oder weniger konsequent angewendet und es entsteht mit etwas Glück ein ansehnliches Resultat. Die Frage, ob denn nun die Regeln oder die daraus resultierenden Objekte „die Kunst“ sind, ist für mich einfach zu beantworten: Ich finde beides faszinierend.

Und besonders freut mich, dass das ganze nicht nur rein theoretisch abläuft: Generative Kunst liefert bereits heute – von organischen Formen für T-Shirt-Designs bis hin zu wertvollen Anregungen für moderne Architektur – unglaublich viel „Input“ für gestalterische Prozesse.

Und welche Hobbies hast du sonst noch?
Zu meinen weiteren Hobbies zählt das Rupfen und Zupfen an meiner E-Gitarre und seit neuestem auch das Fotografieren. Für andere Aktivitäten wie Bücher lesen oder Fahrrad fahren nehme ich mir nicht genug Zeit, als dass sie noch als „Hobby“ durchgehen.

Du studierst an der Uni Leipzig den Masterstudiengang Informatik. Was gefällt dir an deinem Studium besonders? Was würdest du verbessern?
Ich habe mich für ein 2-in-1-Studium entschieden: vier Jahre Fachhochschulstudium und anschließend zwei Jahre Uni-Studium. Beides hat seine Vorteile (oder Nachteile – je nach Sichtweise). Die Fachhochschule versucht, die Studenten möglichst fit für den Beruf zu machen. Die Uni will, dass man sich im gesamten Fachgebiet und wichtigen Untergebieten auskennt. An der FH fallen so einige Themen unter den Tisch, die an sich auch „interessant“ wären. Und sicher können diese Themen in einigen speziellen Fragestellungen im Beruf wieder sehr interessant werden. Generell wird aber auf sie verzichtet, um „wichtigere“ Anwendungsthemen ausreichend abdecken zu können. An der Uni werden dagegen hin und wieder auch Dinge gelehrt, die man maximal für die Forschung benötigt. Man erhält zwar so einen besseren Gesamtüberblick und kann damit an manche Fragestellungen systematischer herangehen – richtig nützlich für einen nicht-wissenschaftlichen Beruf sind sie aber nicht.

Ein weiterer Unterschied: Während an der FH hauptsächlich einem fest definierten Stundenplan gefolgt wird, kann man an der Uni sehr frei entscheiden, wann man sich in welchem Umfang mit welchem Fach beschäftigen will. Anders gesagt: An der FH kann man gar keinem Fach entrinnen – an der Uni können sich Termine so überschneiden, dass auch eher „unliebsame“ Fächer belegt werden müssen, um in der Regelstudienzeit zu bleiben.

Trotz dieser Unterschiede sind beide Varianten des Informatikstudiums im Kern doch recht ähnlich. Wenn man sich dann vor dem Studium noch über Lehrinhalte und den vermittelten Praxisbezug des jeweiligen Studiengangs informiert und überlegt, welche Mischung aus Theorie und Anwendung einem selbst am besten zusagt, kann eigentlich nichts schief gehen. Und wenn man sich später umentscheiden will, ist das durch die neuen modularisierten Bachelor- und Master-Studiengänge kein Problem mehr.

Generell verbesserungswürdig ist wohl die Studienorganisation. Egal welche Uni, egal welches Fach: (zu) kurze Fristen, technische Pannen und jede menge Unklarheiten – das kennt wohl jeder Student.

Speziell in den Informatik-Studiengängen ist aber wohl die dringlichste Verbesserung die Anhebung der die Frauenquote! 😉

Hast du neben Schule und Studium bereits berufliche Erfahrung gesammelt oder dich anderweitig im Bereich Informatik engagiert?
Im Diplomstudium an der Fachhochschule habe ich im Praktikumssemester und später als Werkstudent „nebenher“ in der Softwareentwicklung gearbeitet. Dort habe ich den Arbeitsalltag im Entwicklerteam kennen gelernt, Einblicke in aktuelle Technologien gewonnen und natürlich eigene Projekterfahrungen gesammelt.

Einige Semester habe ich auch als studentische Hilfskraft gearbeitet und hatte zum Teil auch „Lehraufgaben“. Das heißt, dass ich Einführungskurse für die  Erstsemesterstudenten gehalten habe, sowie für spezielle Kursangebote verantwortlich war. Darin ging es um Dinge wie Textsatz mit LaTeX, um Linux oder um die Programmierung mit PHP. An der Uni arbeite ich jetzt wieder als studentische Hilfskraft und befasse mich mit Softwareentwicklung im Umfeld semantischer Technologien.

Bei all diesen Aktivitäten habe ich viel Neues gelernt. Die gesammelten Erfahrungen waren dabei genauso nützlich wie die regulären Lehrinhalte des Studiums. Nicht nur im Hinblick auf die Vergütung kann ich sagen, dass sich die Arbeit ausgezahlt hat.

Erinnerst du dich an deine ersten (aktiven) Erfahrungen mit Informatik?
In den frühen 90er Jahren haben sich meine Informatik-Aktivitäten auf das Konsumieren von PC-Spielen beschränkt. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Spiele auf den Markt, mit immer höheren Systemanforderungen – mehr Anforderungen als die vorhandene Hardware hergab. Um sie trotzdem zum Laufen zu bringen, musste schon ein wenig getrickst werden: Mit verschiedenen Bootdisketten und unkonventionellen Grafikkartentreibern ließ sich das letzte Bisschen Leistung aus dem 386er herauskitzeln. Oft war genau das entscheidend für die große Frage „Intro oder Fehlermeldung“. Auf diese Weise habe ich – „spielerisch“ ist wohl das falsche Wort – aber doch ohne es direkt zu wollen – eine Menge über PCs und Betriebssysteme gelernt.
Nach und nach kam dann der Drang, eigene Spiele und Tools zu programmieren. Damals habe ich die ersten kleinen BASIC-Programme erschaffen – alles noch lange bevor in der Schule Informatik auf dem Stundenplan stand.

Hattest du damals eine Art „Informatik-Vorbild“?
Nein, richtige Vorbilder hatte und habe ich nicht. Aber es macht mir Spaß, mich mit den Biographien von bekannten Informatikern zu beschäftigen. Da gibt es viele interessante Personen; allen voran die Visionäre und Pioniere der Informatik, die vor vielen Jahrzehnten dieses Fachgebiet aus der Taufe gehoben haben. Doch auch heutzutage gibt es eine Reihe von Informatikern, mit sehr interessanten Lebensläufen, wie zum Beispiel den Informatikprofessor und Oscar-Gewinner Ken Perlin.

Gibt es bestimmte Themen der Informatik, die dich besonders interessieren? 

Informatik ist ein sehr vielfältiges Gebiet. Von der Weiterentwicklung der theoretisch-mathematischen Grundlagen bis zur Umsetzung konkreter Softwareprojekte in die Praxis gibt es viele interessante Themen. Für mich wird es immer am spannendsten, wenn die Informatik auf andere Fachrichtungen trifft. Interdisziplinäre Projekte verdeutlichen die zahlreichen Schnittstellen der Informatik zu anderen Wissenschaftszweigen und erweitern damit den Horizont des Informatikers.
Besonders reizen mich Aufgaben, bei denen aus der Analyse von scheinbar ungeordneten Einzeldaten ein konkreter Wissenszuwachs entsteht.

In welcher Form beschäftigst du dich auch in der Freizeit mit Informatik?
Studium und Freizeit gehen manchmal fließend ineinander über. Oft lese ich Artikel oder Buchkapitel, bei denen ich gar nicht mehr genau sagen kann, ob sie eher fürs Studium nützlich sind, oder ob sie mich nur einfach „nur so“ interessieren. In meiner Freizeit programmiere ich ein wenig, versuche mich in Webdesign, digitaler Bildbearbeitung und digitaler „Kunst“. Wobei die Kunst ja immer im Auge des Betrachters liegt.

Welche Informatik-Systeme bzw. -Werkzeuge, z.B. Software und Kommunikationsgeräte nutzt du derzeit?
Im Studium verwende ich hauptsächlich Entwicklungssoftware, wie zum Beispiel Eclipse für die Java-Entwicklung. Auch Webbrowser kommen oft zum Einsatz, da mittlerweile viele Forschungstexte online verfügbar sind. Manchmal bekommt man als Student an der Uni auch Zugang zu „Spezialsoftware“, die an den einzelnen Lehrstühlen entwickelt wird. Das ist schon ziemlich spannend.

Privat verwende ich auch Entwicklungssoftware und Webbrowser. Zusätzlich kommt noch regelmäßig Bildbearbeitungs- und -erstellungsoftware zum Einsatz.

Allgemein nutze ich natürlich ständig irgendwelche „Informatik-Systeme“. Informatik steckt schließlich im Handy, in der Digitalkamera, im Gitarren-Effektgerät, …

Was war dein größtes Informatik-Erfolgserlebnis?
Das ist leicht zu beantworten: Mein 2008 erfolgreich bestandenes Informatik-Diplom (FH).

Was bedeutet Informatik für dich?
Informatik bedeutet für mich Zukunft. Damit meine ich sowohl meine ganz persönliche berufliche Zukunft als auch die Zukunft unserer „Informationsgesellschaft“. Denn Informatik wird überall gebraucht, wo Daten im großen Stil verarbeitet, Arbeitsabläufe vereinfacht, oder Theorien rechnerisch überprüft werden müssen. Ob globale Kommunikation, Biotechnologie oder effiziente Energiewirtschaft – viele Wachstumsbereiche sind ohne Informatik nicht denkbar. Dieser Trend wird sich wohl so schnell nicht umkehren.

Hast du Pläne für deine Zukunft?
Der nächste Meilenstein in meiner Zukunftsplanung ist der erfolgreiche Abschluss meines Masterstudiums im nächsten Jahr. Was danach kommt, kann ich jetzt noch nicht genau sagen. Der Informatik werde ich aber sicher treu bleiben. Ob in der Forschung oder in der Praxis, das wird sich noch ergeben.

Kontakt:
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