Professorin für Künstliche Intelligenz im Fachgebiet Mensch-Roboter-Interaktion
„Im Projekt RobotCub entwickeln wir einen kindlichen Roboter, der seine Umwelt selbst erkunden und aus Erfahrungen lernen soll.“
Kerstin Dautenhahn studierte an der Universität Bielefeld Biologie, eignete sich aber bereits während des Studiums auch ein breites Wissen in Informatik an. Dadurch war es ihr möglich, nach der Promotion in die Forschung zu gehen und ihr interdisziplinäres Wissen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Robotik anzuwenden. Heute arbeitet sie als Professorin an der Universität Hertfordshire in der Nähe von London. Sie ist verheiratet und hat eine kleine Tochter.
Frau Dautenhahn, Sie haben Biologie studiert, waren aber schon immer auch von Informatik fasziniert. Wie haben Sie es geschafft, beide Gebiete miteinander zu verbinden?
Ich habe mir lange nicht vorstellen können, dass das überhaupt möglich ist. Während des Studiums merkte ich aber ziemlich schnell, dass es mir nicht reicht, Natur und Tiere nur zu beobachten oder ihr Verhalten experimentell zu beeinflussen. Ich wollte auch verstehen, warum etwas passiert, warum sich Tiere beispielsweise so und nicht anders verhalten. Um Antworten auf solche Fragen zu erhalten, genügt es aber nicht, Prozesse einfach nur zu beobachten, sondern man muss dann auch Methoden verwenden, die eher aus dem Bereich der Informatik kommen, wie etwa die Computermodellierung. Mit dieser Methode ist es möglich, die Realität modellhaft abzubilden und den Einfluss unterschiedlicher Faktoren zu überprüfen und zu simulieren. An der Universität Bielefeld konnte ich neben dem Biologiestudium auch Vorlesungen in Mathematik und Informatik besuchen und mir so auch auf diesen Gebieten ein breites Wissen aneignen. Dadurch war es mir möglich, nach meiner Promotion in Biologie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Künstliche Intelligenz/Robotik anzufangen. Nur mit Biologie wäre das nicht möglich gewesen.
Mittlerweile sind Sie Professorin für künstliche Intelligenz an der Universität Hertfordshire in England. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag dort aus?
Als Professorin gebe ich natürlich Vorlesungen. Einen Großteil meiner Arbeit widme ich jedoch der Forschung. Ich habe an der Uni Hertfordshire eine Forschungsgruppe zum Thema „Mensch-Roboter-Interaktion“ aufgebaut und wir sind in verschiedenen Forschungsprojekten aktiv. Zum einen leite ich diese Arbeitsgruppe und bringe neue Ideen ein, arbeite aber auch intensiv mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen. Wir sitzen täglich mehrere Stunden beieinander und sprechen dann ganz konkret über die Arbeit, über die Programmierung, welche Software verwendet werden soll usw.
Sie erwähnten, dass Sie in verschiedenen Forschungsprojekten aktiv sind. Um was für Projekte handelt es sich dabei?
Gemeinsam mit meiner Forschungsgruppe bin ich in die europäischen Kooperationsprojekte Cogniron und RobotCub eingebunden. Im Projekt Cogniron arbeiten wir daran, die kognitiven Fähigkeiten von Robotern weiterzuentwickeln. Es geht im Prinzip darum, Roboter so zu konstruieren, dass sie in der Lage sind, sich in alltäglichen Umgebungen, wie zum Beispiel einer Wohnung, zurechtzufinden und mit Menschen zu interagieren. Dafür müssen sie in gewisser Weise ´lernfähig` sein. Ziel ist die Entwicklung eines Roboterassistenten, der uns Menschen unterstützt, also beispielsweise Hausarbeiten für uns erledigt.
Im Projekt RobotCub entwickeln wir einen kindlichen Roboter, der seine Umwelt selbst erkunden und aus Erfahrungen lernen soll. Damit wollen wir herausfinden, ob Roboter in der Lage sind, ähnlich wie Lebewesen eigenständig zu lernen, und gehen zudem der Frage nach, welche Rolle die Interaktion mit Menschen und anderen Robotern dabei spielt.
Eines meiner Lieblingsprojekte ist ein eher kleines Projekt namens Aurora. In diesem Projekt setzen wir Roboter als therapeutische Spielzeuge für autistische Kinder ein. Autistische Kinder haben Probleme, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, da deren Handlungen für sie irritierend und unverständlich sind. Sie gehen aber relativ selbstverständlich mit Technik um, da diese strukturiert und vorhersagbar ist. Mit unserem Roboterspielzeug versuchen wir, die Kinder an menschliches Verhalten zu gewöhnen und sie dadurch vielleicht ein Stück weit aus ihrer Isolation herauszuholen.
In Ihren Projekten scheinen demnach psychologische und soziale Aspekte eine große Rolle zu spielen.
Oh ja. Mittlerweile hat sich auch in der eher traditionellen, ingenieursorientierten Robotik die Einsicht durchgesetzt, dass eine interdisziplinäre Sichtweise verfolgt werden muss. Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Wissensgebieten, wie etwa der Informatik, der Psychologie, der Pädagogik, der Medizin und der Neurologie, müssen alle gemeinsam am Forschungsprozess beteiligt sein – sonst werden wir niemals Roboter entwickeln können, die für uns Menschen nützlich und akzeptabel sind.
Arbeiten in Ihrem Team viele Frauen?
Leider nein – und eigentlich verstehe ich nicht warum. Unsere Projekte sind sehr spannend und es geht oft ganz konkret darum, Menschen zu unterstützen und ihnen zu helfen. Dieser Themenbereich sollte sowohl männliche als auch weibliche Forschende interessieren. Trotzdem erhalten wir nur sehr wenige Bewerbungen von Frauen. Weitere Informationen zu der Arbeit und den Projekten von Kerstin Dautenhahn findest Du unter: http://homepages.feis.herts.ac.uk/~comqkd/. Zudem bietet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Robotik und Mechatronik (www.dlr.de/rm) eine Fülle an weiteren Informationen.
[Quelle (Text u. Bild) Kompetenzzentrum Technik – Diversity – Chancengleichheit.
Das Interview führte Ines Großkopf.]